Montag, 24. Januar 2011

Der Autotest: Volkswagen Touareg V8 TDI



"Braun ist das neue Weiß. Und das war ja das neue Schwarz", weist uns Hubert Korth, Verkaufsleiter bei unserem Lieblingsdealer - Autohaus Marquardt in Hannover - in die aktuelle automobile Farbenwelt ein und läßt sogleich den eiförmigen "Schlüssel" zu dem großen Braunen in unsere ausgestreckte Handfläche fallen. "Keyless entry!", zwinkert Korth uns zu. Und von nun an genügt es, den Türöffner in der Hosentasche zu tragen und der Volkswagen Touareg V8 TDI steht immer offen, sobald wir uns ihm nähern.

Daß man mit dem Touareg problemlos Gipfel erklimmen, durch Flüsse waten und die Wüste Gobi durchqueren kann... - das alles weiß man ja quasi schon aus der Fernsehwerbung. Aber wie steht es um die soziale Intelligenz des allerneuesten S.U.V. niedersächsischer Provinienz? Das genau wollen wir testen. Auf schwierigstem Parkett. In Berlin, Sarrazin-Country.

Auf der Hinfahrt über die A2 machen wir uns erst einmal mit dem neuen Achtzylinder-Diesel vertraut, der im Konzernregal den alten V10er ersetzt. Dieser hatte zwar nominell ein paar PS weniger, haute einem seine brachiale Kraft aber derart vulgär um die Ohren, daß besonders Herrenfahrer mit einem Hang zum Küchenpersonal auf ihre Kosten kamen. Der Neue stellt 340 PS und ein Drehmoment von 800Nm zur Verfügung. Beachtliche Werte, aber hier wollen ja - beladen mit Mann und Maus und etlichen elektrischen Helferlein - auch fast drei Tonnen gegen den Wind gestemmt werden. Ab 200km/h wirkt der Touareg dann auch ein wenig angestrengt. In den Weiten Brandenburgs mit seinen unendlichen Kiefernwäldern belassen wir es bei dieser Reisegeschwindigkeit. Der Touareg ist ein grandioses  Langstreckengefährt. Kein Vergleich mit dem hoppeligen Vorgänger, der immer ein bißchen zuviel raues Kutschbock-Flair verströmte. Und dann die Assistenten gegen jede nur denkbare Fehlleistung des Fahrers: Abstandstempomat, Fahrspurkontrolle, Toter-Winkel-Überwachung, Regensensor, Verkehrszeichenerkennung, state-of-the-art Navigationsssytem...

Letzte Ausfahrt Kreuzberg,
Bergmannstraße 1
Wir flögen am liebsten durch bis Ostpreußen, aber hinter Tempelhof heißt es: "all doors in park". Unser Testparcours beginnt ausgerechnet im tiefsten Kreuzberg, Bergmannstraße 1. "Kreuzberg?!", hatte uns ein befreundeter Architekt und Berlin-Connaisseur noch nachgerufen, "da brennt der Wagen doch innerhalb von Minuten aus!" Doch bei ArabBelly, dem besten Schawarma-Bräter Berlins, läßt man nichts anbrennen. Schon gar nicht unseren mokkafarbenen Touareg, der hier - direkt vor der Tür geparkt - einen Hauch von Tuareg verströmt und von den Migranten und Migrantinnen des Kiez' wohlwollend bestaunt wird. Macht schon was aus, das neue, erfreulich zurückgenommene Design des immer noch großen S.U.V. Ein vergleichbarer Porsche Cayenne, diese Blech gewordene Cortison-Spritze, hätte gewiß schon Bekanntschaft mit Herrn Molotow gemacht. Da fackelt man hier nicht lange.

Bei Huong Que,
dem besseren Monsieur Vuong?
Ein paar Blocks weiter beim - laut Thilo Sarrazin wesentlich besser integrierten - Vietnamesen (hier die Suppenküche Huong Que) bedankt sich der Fahrer eines VW Passat erster Generation mit Aufschrift "Republik Freies Wendland" artig, als wir ihm unseren großzügig bemessenen Parkraum überlassen. Wir winken fröhlich zurück, wissend, daß unser Testfahrzeug endlich in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist.


5-Sterne-Plus: RC
Aber wie sieht es am Rande aus, dort wo das Gras angeblich grüner aber die Luft auch wesentlich dünner ist? Ritz-Carlton Hotel am Potsdamer Platz. Hier haben sie alle genächtigt, die Baracks und Robbies. Und hier kann er sich erstaunlich breit machen, unser 102.480-Euro-Super-Luxus-Schlitten. Wir haben die Heckklappe kaum von innen entriegelt, da springt der sichtlich beeindruckte Portier auch schon herbei durch das übliche Spalier aus S-Klasse und allerlei exotischem Getier. Kurios wird es freilich, als wir Stunden später zum Diner aufbrechen wollen und den Volkswagen aus der Garage kommen lassen: Wir staunen nicht schlecht, als gleich zwei Hotelangestellte der mittleren Führungsebene in schicken grauen Anzügen den Wagen pilotieren. Fahrer und Beifahrer - das kennt ein Touareg eigentlich nur von der Dakar-Rallye. "Tolles Auto", flöten die beiden unisono. Fazit: Parkettsicher ist der Testwagen auch auf 5-Sterne-Niveau.

Nächste Disziplin: City-Tauglichkeit und Wendigkeit. Parcours 1: Der Ku-Damm zwischen Kempi und Schlüterstraße. Weiße Cayennes, hellblaue 612 Scagliettis, mattschwarze 911er - hier wird Moskoviter Lebensart zelebriert. Um die Blicke der blonden, langmähnigen Russinen an den Volants der rassigen Sportwagen auch einmal auf uns zu ziehen, müssen wir den braven Niedersachsen ganz schön 'rannehmen und uns recht agressiv auf Augenhöhe bringen - fast wie junge Türken im 3er-BMW. Nee, das wird heute nichts... Für Svetlana ist der Volkswagen zu normal.

Borchardt
Parcours 2: Friedrichstraße zwischen Französische Straße und Quartier 206, früher Abend, es ist wusselig in Mitte. Doch wie ein Damenfahrrad wieselt unser Touareg zwischen quer und in zweiter Reihe geparkter Verkehrsteilnehmer hindurch. Und dank Rückfahrkamera gelingt es uns sogar, elegant vorm "Borchi" einzufädeln. Wobei: das beeindruckt die langgeschürzten Kellner nicht wirklich. Sei's drum: Wie immer, Wiener Schnitzel und weißer Sancerre

Rosenthaler Platz
auf zum Prenzelberg
Parcours 3: rund um den Kollwitzplatz. Auf dem Spielplatz  haben schon Suri Cruise und die ungezählten Plagen von Brangelina getobt. Was vier Räder hat, darf hier schon mal hochwertig sein. Kinderwagen unter 2.000 Euro sind eher die Seltenheit auf dem "Prenzelberg". Und auch unser brauner Bomber erntet fast nur freundliche, anerkennende Blicke, als wir zum dritten Mal bei Anna Blume vorbeirollen auf der Suche nach Parkraum. Das ist das eigentlich Skandalöse, schließlich befinden wir uns in dem einzigen Wahlkreis der Bundesrepublik Deutschland, in dem der Kandidat der Grünen per Direktmandat in den Bundestag gewählt wurde - der Herr Ströbele. 

Müssen wir umdenken? Ist der moderne S.U.V. wider Erwarten doch noch in unserer Gesellschaft angekommen? In der Tat. Braun ist nicht nur das neue Weiß. Der dezent gezeichnete, ökologisch verträgliche, effiziente VW Touareg ist offenbar gleichsam so etwas wie der neue Golf GTI. Klassenlos, modern, unprätentiös. Auf der Heimfahrt müssen wir denn auch unwillkürlich an alte GTI-Zeiten denken. Ach, früher... Ein wenig zu gedankenverloren bügeln wir die A2 platt. Zwei Fotos, Punkte, Buße. Geschichte wiederholt sich doch. Macht aber Spaß.

Karl-Marx-Allee. Der Touareg behält die Übersicht.

City-Slicker. Auf einem Werksfoto.


Gazzettino empfiehlt:


&

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Ja, ein super Touareg, die Motorisierung lässt kaum Wünsche offen, bei sanfter Fahrweise ist der Verbrauch auf unter 9 Liter zu reduzieren, das Panoramadach, ein Höchstgenuss. Die Power reicht zum Gespannfahren in allen Straßenlagen, die Luftfederung ist das Tüpfelchen auf dem "i".
Platzangebot, auch hinten haben Große reichlich Platz.

Aber ein großer dunkler Schatten liegt auf dieser Motorvariante. Fahrgeräusche die eines 8-Zylinders absolut unwürdig sind. Gibt mal ein wenig Gas und kommt in den Bereich von 2500 U/min, dann geht das Brummen los, Beifahrer vermuten postpupertäre Anwandlungen des Chauffeurs, weit gefehlt...
Kaum ruft man die 800 Nm mal ab, hat der Antrieb Stress und schon brummt es unüberhörbar, das Image eines Luxusautos ist dahin. Peinlich das Getöse, bei jedem Schaltvorgang der sonst fein abgestimmten 8-Gang-Automatik wiederholt sich das Brummen zwischen 2500 und 2800, bei Tempo 180 km/h bleibt es dann dauerhaft bis rd. 200 km/h, aber wer will noch schneller fahren, nur damit es wieder ruhiger im Fahrzeug wird?
Für ein sonst ausgesprochen feines Fahrzeug im Preissegment deutlich über 80.000 € ein echter Grund diese Variante nicht zu kaufen.

Und die Krönung: VW hüllt sich in das Schweigen, das dieser Touareg eigentlich beim Fahren bringen sollte.